WV Stahl
blogbeitrag

EU-Emissionsrechtehandel: Grüne Transformation der Stahlindustrie in Frage gestellt

Die Unternehmen der Stahlindustrie in Deutschland wissen, wie sie ihre CO2-Emissionen massiv senken und die Klimaziele erreichen können. Worauf es jetzt ankommt, ist die Schaffung der politischen Rahmenbedingungen, damit die konkreten Pläne in den Betrieben Wirklichkeit werden. Der Green Deal auf europäischer Ebene und das Handlungskonzept Stahl der Bundesregierung haben in der Tat auch einen Weg vorgegeben, der eine klimaneutrale und zugleich wettbewerbsfähige Industrie zum Ziel hat. Doch wenn man in diesen Tagen die Debatte rund um die Revision des EU-Emissionsrechtehandels und der Einführung eines CO2-Grenzausgleichs (CBAM) verfolgt, wird die klimaneutrale Zukunft der Stahlindustrie in Frage gestellt. Denn klar ist: Mit dem frühzeitigen Auslaufen der freien Zuteilung und einem CO2-Grenzausgleich, der Exporte unberücksichtigt lässt, drohen der Branche in Deutschland im Zeitraum von 2026-2030 Mehrkosten von rund 16 Mrd. Euro. Damit würden den Unternehmen Mittel entzogen, die sie dringend für die Bewältigung der Transformation benötigen. Dies träfe die Betriebe zu einer Zeit, in der sie milliardenschwere Investitionsentscheidungen beispielsweise über neue Anlagen treffen müssen, mit denen sie in eine CO2-freie Zukunft gehen können. Zudem konnte noch niemand in der Politik eine schlüssige Antwort darauf geben, wie der teurere grüne Stahl auch in anderen Ländern der Welt wettbewerbsfähig sein kann, in denen Klimaschutz keine große Rolle spielt. Die derzeitigen CBAM-Pläne können dies jedenfalls nicht.

Wenn die Transformation hin zur grünen Stahlindustrie gelingen soll, brauchen die Unternehmen eine Perspektive für den gesamten Weg und nicht nur für das Ziel. Die Stahlindustrie steht in den Startlöchern, um ihren Beitrag für eine klimaneutrale Wirtschaft in Deutschland durch konkrete Projekte zu leisten. Sie ist die Branche, die Vorreiter sein kann, Klimaschutz und internationale Wettbewerbsfähigkeit miteinander zu verbinden. Dafür brauchen die Stahlunternehmen jedoch einen unterstützenden politischen Rahmen. Die Bundesregierung steht im Wort, einen politischen Rahmen auf den Weg zu bringen, der die Stahlunternehmen bei ihrem Umbau hin zur Klimaneutralität unterstützt.

Die Frage, wie die Branche vor Carbon Leakage, also vor der Abwanderung der Produktion in andere Regionen der Welt mit geringeren Klimaschutzauflagen, geschützt werden kann, muss jedoch in Brüssel beantwortet werden. Und gerade hier droht mit den skizzierten Positionen eine völlig falsche Weichenstellung. Denn die freie Zuteilung ist keinesfalls eine Belohnung für klimaschädliche und veraltete Technologien, wie einzelne Stimmen aus dem EU-Parlament vernehmbar sind. Im Gegenteil werden die Unternehmen mit der freien Zuteilung überhaupt erst in die Lage versetzt, ihre Klimaschutzpläne vor dem Hintergrund des internationalen Wettbewerbs verwirklichen zu können. Die Umstellung auf eine CO2-arme Stahlproduktion geht nicht von heute auf morgen. Die freie Zuteilung hält auch die konventionelle Stahlproduktion in der Übergangszeit wettbewerbsfähig. So kann die weitere Transformation gestemmt und die Versorgung mit Stahl – der beispielsweise auch für die neue grüne Energieversorgung gebraucht wird – gesichert werden.

All dies sollten die EU-Parlamentarierinnen und -Parlamentarier mit berücksichtigen, wenn sie in der kommenden Woche über den EU-Emissionsrechtehandel und den CO2-Grenzausgleich abstimmen. Das gemeinsame Ziel von Industrie und Politik, eine klimaneutrale Stahlindustrie bis zur Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, wird greifbarer, je geringer die Belastungen für die Unternehmen in der Transformation sind. Daher sollten realistische Benchmarks und eine Fortführung der freien Zuteilung bis 2030 ein wichtiger Baustein einer verantwortungsvollen Politik sein, die Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gleichermaßen im Blick behält.

Auch dafür setzen wir uns als Stahlindustrie in Europa gemeinsam in einem offenen Brief ein.


Beitragsbild: Felix Mittermeier von Pexels