Der US-Inflation Reduction Act (IRA) aus Sicht der Stahlindustrie
Mit dem Inflation Reduction Act (IRA) hat die USA ein umfangreiches Gesetzespaket auf den Weg gebracht, mit dem nicht nur die Inflation bekämpft, sondern auch der Ausstoß von Treibhausgasen reduziert, die Energiepreise nachhaltig gesenkt und neue grüne Wertschöpfungsketten aufgebaut werden sollen. Die Stahlindustrie in Deutschland begrüßt einerseits die klimapolitischen Ambitionen, die mit dem Programm verbunden sind. Andererseits stellen die mit dem IRA sich abzeichnenden Verschiebungen in den internationalen Standortbedingungen den Industriestandort Europa vor große Herausforderungen, die durch die in Teilen protektionistische Ausrichtung des IRA erheblich verstärkt werden. Deutschland und die EU sind nun aufgefordert, hierauf eine industrie- und handelspolitische Antwort zu geben.
Mit der Unterzeichnung des IRA durch US-Präsident Biden im August 2022 im US-Kongress wurde ein Gesetzespaket auf den Weg gebracht, das weitreichende Auswirkungen auf den Klimaschutz und Investitionen in erneuerbare Energien und in die Wasserstoffwirtschaft haben wird. Allein im Bereich Klimaschutz sind 369 Mrd. Dollar an Fördermitteln in den nächsten zehn Jahren vorgesehen. Dabei sind Ausgaben für klimafreundliche Energie (169 Mrd.), Transport (23 Mrd.), „saubere“ Technologien (17 Mrd.) sowie für die Finanzierung neuer Industrieanlagen (71 Mrd.) geplant. In vielen Fällen ist die Verfügbarkeit dieser Vergünstigungen an die Bedingung geknüpft, dass u.a. heimischer Stahl und andere in den USA produzierte Materialien oder Komponenten verwendet werden.
Folgen des IRA für den Industriestandort Deutschland und was jetzt getan werden muss:
Für wettbewerbsfähige Energiepreise sorgen
- Die deutsche und europäische Politik muss ihre Anstrengungen verstärken, der Industrie die Versorgung mit Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen zu ermöglichen. Bereits heute ist die deutsche Industrie infolge der explodierenden Energiepreise nicht mehr wettbewerbsfähig.
- Mit dem IRA verbindet sich die Gefahr, dass sich die Nachteile strukturell verfestigen. Deutschland und die EU müssen hierauf eine industriepolitische Antwort geben, wie mittelfristig wettbewerbsfähige Energiekosten erreicht werden können.
- Die Probleme bei der Wettbewerbsfähigkeit beziehen sich nicht nur auf die energieintensiven Industrien, sondern betreffen die volle Breite der stahlbasierten Wertschöpfungsketten. Es besteht die Gefahr, dass Unternehmen ihre Investitionen zukünftig verstärkt auf die USA ausrichten, mit negativen Auswirkungen für den Industriestandort Deutschland und die EU (schleichende Verlagerung von Wertschöpfung). Der US-Inflation Reduction Act aus Sicht der Stahlindustrie in Deutschland
Den Wasserstoffhochlauf beschleunigen
- Die US-Pläne für die heimische Wasserstoffwirtschaft bedeuten für Deutschland ein erhebliches Risiko. So ist der Aufbau bezüglich des Umfangs und Geschwindigkeit so ambitioniert angelegt, dass in den nächsten Monaten große Teile der für die Errichtung von Elektrolyse-Kapazität qualifizierten Anlagenbauer in den USA gebunden sein werden.
- Für Deutschland und die EU könnte sich dadurch eine deutliche Verzögerung des eigenen Wasserstoffhochlaufs ergeben. Zudem besteht die Gefahr, dass Investitionsvorhaben in der EU überdacht und in Richtung USA verlagert werden.
- Vorrangige Ziel muss es jetzt sein, die Rahmenbedingungen so zu setzen, damit der Wasserstoffhochlauf in der EU deutlich beschleunigt wird. Dazu gehört u.a. technologieneutrale Förderung von Wasserstoff, eine ausreichende Versorgung mit grünem Strom sowie eine auf die Industrie ausgerichtete Wasserstoffversorgungsinfrastruktur.
Den Zugang zum US-Markt für europäische Produkte weiterhin ermöglich
- Der IRA zielt dabei darauf ab, die inländische Produktion durch Local-Content-Anforderungen, vor allem Stahlprodukte, zu fördern. Für die deutsche und europäische Politik muss es ein Kernanliegen sein, bei Verhandlungen mit den USA zu erreichen, dass der US-Markt für EU-Produkte offen bleibt.
- Mit Blick auf die Stahlindustrie könnte auch das geplante sektorale Abkommen im Stahlbereich eine wichtige Rolle spielen. Ziel dabei sollte es sein, beiden Bündnispartnern einen wechselseitigen Marktzugang zu den grünen Leitmärkten zu garantieren und internationale Kooperation zu verstärken. Dazu gehört auch die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für klimafreundliche Grundstoffe.
Die EU muss eine industriepolitische Antwort auf den IRA geben
- Förderinstrumente in der EU und Deutschland sind zumeist eng eingegrenzt, nicht kurzfristig verfüg- und kaum kombinierbar, was zu unsicheren Rahmenbedingungen bei oftmals zeitkritischen Investitionsentscheidungen führt.
- Der IRA sollte als Weckruf verstanden werden, rasch ein stimmiges industriepolitisches Konzept zu entwickeln, um Unternehmen unkompliziert und umfassend auf ihrem Weg zur Dekarbonisierung zu fördern. Dabei gilt es, wie der IRA die zentrale Rolle der Grundstoffindustrie für die Transformation anzuerkennen und industriepolitisch abzubilden.
- Durch den IRA drohen die USA als erste stahlerzeugende Region in großem Maße grüne Produkte anzubieten und damit Leitmärkte zu etablieren. Wichtig ist es nun, dass Deutschland und die EU mit der Schaffung eigener Leitmärkte einen Nachfragepull zu erzeugen.
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