WV Stahl

Grüne Leitmärkte und Eckpunkte einer Grünstahl-Definition

Die Stahlindustrie in Deutschland steht bereit, um den Weg in eine klimaneutrale Zukunft konkret mitzugestalten. Hierzu haben die Unternehmen entscheidungsreife Investitionsprojekte vorgelegt. Klar ist: Die Transformation hin zur klimaneutralen Stahlindustrie ist eine riesige Aufgabe, die nicht nur die Branche selbst betrifft. Besonders gefragt ist die Politik in Berlin und Brüssel, die Bemühungen sinnvoll durch einen geeigneten politischen Rahmen zu begleiten. Eine zentrale Fragestellung dabei: Wie kann eine Marktperspektive für grünen Stahl geschaffen werden? Denn klar ist: Grüner Stahl ist zunächst teurer in der Produktion und wird sich in einer Übergangsphase dem Wettbewerb mit konventionell produziertem Stahl aus dem In- und Ausland stellen müssen. Der Schlüssel, neben staatlichen Anschubfinanzierungen, ist der Aufbau von grünen Leitmärkten, dem eine klare Definition des Begriffs „grüner Stahl“ zugrunde liegt. 

Grüne Leitmärkte  – wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Stahlindustrie

Aufgabe von grünen Leitmärkten ist die Transformation nachfrageseitig zu unterstützen (Pull-Faktoren): Der Wechsel zu klimafreundlichen Produktionsmethoden ist typischerweise mit signifikanten Mehrkosten verbunden, ohne dass sich das Produkt technologisch von dem Referenzprodukt unterscheidet. Ohne politische Flankierung können grüne Produkte im Wettbewerb mit grauen anfänglich nicht bestehen. Grüne Leitmärkte tragen dazu bei, Absatzmärkte zu etablieren, auf denen Grünstahlprämien erzielt werden können, die Mehrkosten der Unternehmen ausgleichen. Grüne Leitmärkte ergänzen somit andere zentrale Förderinstrumente der Transformation, wie insbesondere Klimaschutzverträge, die darauf ausgerichtet sind, ein erstes Angebot an grünem Stahl zu schaffen. Die über Klimaschutzverträge vereinbarten Ausgleichszahlungen fallen umso geringer aus je höher die Zahlungsbereitschaft der Kunden für Grünstahl im Vergleich zum herkömmlichen Stahl ist.

Grüne Leitmärkte können so öffentliche Haushalte bei der Finanzierung der Transformation nachhaltig entlasten. Sie stellen eine Brücke dar, bis sich klimaneutrale Produkte in voller Breite auf dem Stahlmarkt durchgesetzt haben. Und sie brauchen auf Seite von Verwendern und Abnehmern klare und verbindliche Anreize/Regeln, damit sich eine Nachfrage entwickeln kann. Dazu zählen Vorgaben im Bereich der öffentlichen Beschaffung (Green Procurement), Prämienmodelle, Anreizmöglichkeiten im Rahmen der politischen Sektorkopplung oder Mindeststandards, die sich im Zeitablauf verschärfen. Ziel auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 sollte sein, schnellstmöglich Standards zu setzen, wonach nur noch klimaneutrale Grundstoffe in Deutschland / der EU abgesetzt und verbaut werden dürfen.

Die Finanzierung grünen Stahls über den Markt ist volkswirtschaftlich auch deshalb geboten, da die Mehrkosten – gemessen am Endproduktpreis – im Vergleich zu anderen Sektoren und Branchen vergleichsweise klein sind, dafür aber große Wirkung in Form von CO2-Reduktion entfalten. Der Endproduktpreis vieler stahlintensiver Produkte wie Fahrzeuge, Windräder oder Waschmaschinen steigt nur sehr moderat an, wenn sie vollständig aus grünem Stahl hergestellt werden. Zugleich trägt grüner Stahl jedoch in großem Umfang zur Reduktion der Gesamtemissionen von stahlintensiven Gütern bei. Bei einem Mittelklassewagen lassen sich durch den Einsatz von vollständig klimaneutral hergestelltem Stahl rund 25 Prozent der produktionsbedingten Gesamtemissionen reduzieren.



Grünstahl-Definition als Basis für Grüne Leitmärkte

Märkte für klimafreundliche Produkte können sich nur dann entwickeln, wenn sie auf klaren Definitionen aufbauen. Als erster Schritt muss daher für jeden Abnehmer erkennbar sein, welche CO2-Emissionen in einem Stahlfertigprodukt enthalten sind, damit diese entlang der Wertschöpfungskette nachverfolgt werden können. Product Carbon Footprints, die auf der Basis einschlägiger und akzeptierter ISO-Normen und Standards ermittelt werden, sind aus Sicht der Stahlindustrie somit ein erster zentraler Baustein einer Definition von grünem Stahl.

Darüber hinaus schlägt die Stahlindustrie in Deutschland ein Klassifizierungssystem für klimafreundlichen Stahl vor. Dieses hat primär zum Ziel, den Aufbau von grünen Leitmärkten zu ermöglichen. Um volle Wirksamkeit zu entfalten, muss es verschiedenen Kriterien genügen. Dazu zählen insbesondere:

  • den stufenförmigen Transformationsprozess der Industrie zur Klimaneutralität abzubilden (Vereinbarkeit mit Markthochläufen),
  • mit dem Ambitionsniveau der Klimaziele vereinbar zu sein (Effektivität) und
  • die Investitionsanstrengungen in transformative Prozesse zu belohnen (Einzahlen auf die Transformation).

Grüner Stahl: Die nächsten Schritte

Die Stahlindustrie in Deutschland plädiert dafür, die Arbeit an einer Grünstahldefinition bzw. an einer Klassifizierung klimafreundlicher Grundstoffe rasch auf den Weg zu bringen. Dazu müssen klimapolitische Initiativen auf nationaler, europäischer und globaler Ebene eng aufeinander abgestimmt und koordiniert werden. Das Positionspapier der WV Stahl ist hierzu ein wichtiger Debattenbeitrag.

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