Neustart für den Einzelwagenverkehr stärkt Wertschöpfungsketten
Der Einzelwagenverkehr wird in Europa seit Jahrzehnten immer weiter zurückgefahren. Dabei ist er klima- und verkehrspolitisch wichtig und gerade auch für die Stahlindustrie von großer Bedeutung. Im Gegensatz zum Ganzzugverkehr – bei dem ein kompletter Zug direkt vom Versender zum Empfänger fährt – können im Einzelwagen- und Wagengruppenverkehr auch kleinere Transporteinheiten bis hin zu einzelnen Güterwagen befördert werden. Diese werden vom Gleisanschluss des Versenders zum nächsten Rangierbahnhof gefahren, dort zu kompletten Zügen zusammengestellt, zu einem empfängernahen Rangierbahnhof transportiert und von dort dem Kunden zugestellt. Diese Art des Bahntransports ist für eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie am Standort Deutschland unverzichtbar: Beinahe jede zweite per Bahn versandte Tonne der Stahlindustrie wird im Einzelwagenverkehr befördert. Über dieses System können auch Empfänger kleinerer Transportmengen klimafreundliche auf der Schiene beliefert werden.
Güterbahnen: Erste wirksame Entlastung erfolgt
Leider leidet der Einzelwagenverkehr in ganz Europa unter einem fortschreitenden Mengenverlust. Die Entwicklung in diesem noch immer bedeutenden Marktsegment steht allerdings im Widerspruch zum Ziel der Europäischen Union, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Weil auch das nationale Ziel, bis 2030 den Marktanteil des Schienengüterverkehrs von 19 Prozent auf 25 Prozent zu erhöhen, nur mit einem starken Einzelwagenverkehr zu erreichen ist, setzt sich die WV Stahl für Investitionen zur Modernisierung und für zielgerichtete, unternehmensneutrale Förderprogramme ein.
Erste Schritte sind erfolgt: Das Förderprogramm des Bundes zur Reduzierung der Nutzungsgebühren der Infrastruktur („Trassenpreise“) stellt eine wirksame Entlastung der Güterbahnen dar. Ein wichtiger Schritt ist zudem das im Klimaschutzprogramm zugesagte Förderprogramm für die Anlagenkosten (Rangierbahnhöfe, Gleisanschlüsse etc.), für das sich die Wirtschaftsvereinigung Stahl besonders eingesetzt hatte; es muss nun schnellstmöglich umgesetzt werden. Erste positive Signale deuten auf den Erfolg dieser Maßnahmen hin.
Gleisanschluss-Charta für mehr Effizienz im Schienengüterverkehr
Es sind jedoch weitergehende Schritte nötig: Mittel- und langfristig müssen die großen Potenziale von Digitalisierung und Automatisierung genutzt werden. Auch muss die grenzüberschreitende Interoperabilität wesentlich verbessert werden. Unverzichtbar ist ferner eine akzeptable Flächenabdeckung mit Gleisanschlüssen als Teil der Daseinsvorsorge. Hierzu müssen die zu wenig nutzerfreundlichen Prozesse zur Errichtung eines Gleisanschlusses wesentlich effizienter gestaltet werden. Wichtig ist zudem ein besser nutzbares Gleisanschluss-Förderprogramm. Um diese Forderungen zielgerichtet zu adressieren, ist die WV Stahl Mitverfasser und Zeichner der „Gleisanschluss-Charta“, die die erforderlichen Schritte für einen effizienten Netzzugang auf der „letzten Meile“ darlegt.
Um die Auswirkungen der Corona-Krise für alle Güterbahnen wenigstens teilweise zu kompensieren, ist es sinnvoll, das Förderprogramm zur Absenkung der Trassenpreise für Güterverkehre auf der Schiene vorübergehend deutlich aufzustocken.