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Koalitionsvertrag im WV Stahl-Check

Am 24. November 2021 haben SPD, Bündnis 90/Die Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag vorgelegt. Aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung Stahl bietet das künftige Regierungsprogramm eine Grundlage, um die erforderlichen Rahmenbedingungen für die Transformation der Stahlindustrie hin zu einer perspektivisch klimaneutralen Produktion zu schaffen. Auch in weiteren für die Stahlindustrie bedeutenden Bereichen, enthält der Vertrag wichtige Ansätze.

Transformation mit zentralem Stellenwert

Die Transformation hin zur Klimaneutralität ist für die Stahlindustrie in den kommenden Jahren eine Mammutaufgabe. Mit Blick auf den notwendigen Umbau der Stahlproduktion in Richtung CO2-armer Verfahren ist zu begrüßen, dass eine schnelle Umsetzung aller notwendigen Gesetze, Verordnungen und Maßnahmen bereits im Jahr 2022 angestrebt wird und es einen Dialog mit Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden im Rahmen einer „Allianz für Transformation“ geben soll.

Die für die Stahlindustrie zentralen Instrumente, von Klimaschutzverträgen über grüne Leitmärkte bis hin zu dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft sind in dem künftigen Regierungsprogramm vorgesehen. Sie bedürfen nun der weiteren, sachgerechten Konkretisierung und schnellen Umsetzung, damit die entscheidungsreifen Transformationsprojekte umgehend auf den Weg gebracht und die ersten CO2-armen Anlagen Mitte der zwanziger Jahre in Betrieb gehen können.

Um Planungssicherheit bei staatlichen Förderzusagen für Investitionen in CO2-arme Produktionsverfahren herzustellen und diese haushaltsunabhängig für die gesamte Projektlaufzeit zuzusichern, sollte ein ausreichend ausgestattetes Sondervermögen eingerichtet werden. Diese Rolle sollte dem im Koalitionsvertrag angekündigten Klima- und Transformationsfonds (KTF) zukommen.

Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren

Zu begrüßen ist, dass die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren im Koalitionsvertrag breiten Raum einnimmt, von industriellen Anlagen über erneuerbare Energien und Stromtrassen bis hin zur Verkehrsinfrastruktur. Hier handelt es sich um eine entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Transformation. Positiv zu würdigen ist insbesondere, dass auch Hindernisse im Umweltrecht adressiert werden, die bisher gemieden wurden.

Grüner Strom und Wasserstoff für eine klimaneutrale Industrieproduktion

Die im Rahmen einer Fortschreibung der Wasserstoffstrategie beabsichtigte Verdoppelung der für 2030 angestrebten Elektrolysekapazitäten ist notwendig, da der bisherige Zielwert unter dem Bedarf allein der Stahlindustrie lag. Verstärkt wird dies durch das Ziel, den grünen Wasserstoff vor allem für nicht-elektrifizierbare Bereiche zu priorisieren. Auch die für den Hochlauf vorgesehene Technologieoffenheit ist positiv, insbesondere auch mit Blick auf den unverzichtbaren Einsatz von Erdgas und blauem Wasserstoff als Brückentechnologie.

Von wichtiger Bedeutung ist die Ausrichtung des Erneuerbaren-Ziels für 2030 auf einen höheren Bruttostrombedarf und die klare Absicht zu einem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien und der Beseitigung der damit verbundenen Hürden. Für eine klimaneutrale Stahlindustrie sind ausreichende Mengen an grünem Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen fundamental.

Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz gemeinsam denken

Damit transformative Prozesse ermöglicht werden und Carbon Leakage verhindert wird, sind wettbewerbsfähige Strompreise und der Erhalt der Entlastungsregelungen von energie- und klimapolitischer Regulierung unabdingbar. Gerade mit der zunehmenden Elektrifizierung der Verfahren ist die Stahlindustrie mehr denn je auf international wettbewerbsfähige Energiekosten angewiesen. Zu begrüßen ist daher die Ankündigung, für wettbewerbsfähige Strompreise für Industrieunternehmen Sorge tragen zu wollen. Der angekündigte Abbau von „umweltschädlichen Subventionen“ und die geplante Prüfung und Anpassung aller Ausnahmen von energiepolitischen Belastungen dürfen hingegen nicht zu einem Abbau der dringend notwendigen Belastungsbegrenzungen – etwa beim Energiesteuerspitzenausgleich oder der ETS-Strompreiskompensation – führen. Dies gilt auch für die Gegenfinanzierung im Rahmen der beabsichtigten Abschaffung der EEG-Umlage.

Positiv ist, dass die freie Zuteilung als wirksames Carbon Leakage-Instrument angesehen wird, und der Grenzausgleich unter die Bedingungen gestellt wird, Exporte nicht zu benachteiligen und Umgehungseffekte („Greenwashing“) zu verhindern. Aus Sicht der Stahlindustrie muss die freie Zuteilung bis 2030 im bisher vorgesehenen Umfang fortgeführt und der Grenzausgleich zunächst ergänzend getestet werden. Die Bundesregierung sollte sich rasch entsprechend positionieren und in Brüssel einbringen.

Mehr Fairplay im internationalen Handel

Im Bereich der Außenhandelspolitik bleibt die Bekämpfung unfairen Wettbewerbs eine vordringliche Aufgabe (regelbasierter Handel, Bekämpfung unfairer Handelspraktiken, Stärkung der Instrumente zur Bekämpfung von marktverzerrenden Subventionen). Die Erarbeitung eines China-Strategieplans Deutschlands (analog zur China-Strategie der EU) ist daher begrüßenswert.