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Parlamentarisches Frühstück: Industriepolitik für eine gelungene Transformation diskutiert

„Steht die Brücke in die klimaneutrale Wirtschaft?“ – das war die Ausgangsfrage unseres Parlamentarischen Frühstücks am 28. September 2023 im Bundestag. Mit rund 20 Abgeordneten aller demokratischen Parteien haben wir über die Bedeutung der Stahlindustrie für den Wirtschaftsstandort und die Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität gesprochen.

Nach der Begrüßung durch den Schirmherr Bernd Westphal, wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, erläuterte Prof. Dr. Henning Vöpel (Centrum für Europäische Politik, CEP) Eckpunkte einer „transformativen Ordnungspolitik“. Sein Befund: Der Transformation droht ein gefährlicher Kipppunkt, weil die Deindustrialisierung schneller einsetzt als die Energiewende grünen Strom zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stellt. Und was an industrieller Produktion und Wertschöpfung verloren geht, kommt später nicht mehr zurück. Auch aus ordnungspolitischer Sicht gilt daher: Keine Industriepolitik ist auch keine Lösung.

Bernhard Osburg, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, erläutert die Chancen, die mit der Transformation der Stahlindustrie verbunden sind.

Warum gerade die Transformation der Stahlindustrie so ein zentrales industriepolitisches Projekt ist, machte Bernhard Osburg, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorstandsvorsitzender der thyssenkrupp Steel Europa AG, deutlich: Die Stahlindustrie sichert vier Millionen Arbeitsplätze in stahlintensiven Branchen und ist unverzichtbar für nahezu alle Net-Zero-Technologien, darunter Windkraft, Photovoltaik, Strommasten, Wasserstoffpipelines und E-Mobilität. Zudem sind Europa und gerade Deutschland Vorreiter bei der Transformation zur klimaneutralen Stahlindustrie – rund 55 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr können so in Deutschland eingespart werden. Warnende Worte fand der Verbandspräsident mit Blick auf die weltweiten Lieferketten: Ohne eigene Stahlproduktion macht sich der Standort Deutschland abhängig. Die Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine haben gezeigt, wie fragil unsere Lieferketten sind und welche Bedeutung strategische Autonomie hat. Wir können unseren Stahl nicht durch Importe ersetzen, ohne strategische Abhängigkeiten zu riskieren. Bereits heute finden drei Viertel der weltweiten Stahlerzeugung in Asien statt und diese Entwicklung geht weiter.

Doch die mit der Transformation verbundenen Chancen werden derzeit aufgrund der hohen Stromkosten massiv in Frage gestellt, erklärte Reiner Blaschek, Vizepräsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und CEO von ArcelorMittal in seinem Praxis-Check. Besonders wird das derzeit bei der Elektrostahlproduktion deutlich. Dort haben die größtenteils mittelständisch geprägten Unternehmen im bisherigen Jahresverlauf 12 Prozent weniger Stahl hergestellt als im Vorjahr. Damit ist gerade diese bereits heute relativ CO2-arme Verfahrensart besonders betroffen und damit auch das eigentliche Zukunftsmodell der Stahlindustrie: Denn die Stahlproduktion drängt massiv ins Stromsystem. Hier fehlen derzeit jedoch wettbewerbsfähige Strompreise.

Reiner Blaschek, Vizepräsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, führte durch den Praxis-Check.

Daher, so das Fazit aus Sicht der Wirtschaftsvereinigung Stahl, braucht es nun gezielte Entlastungen für energieintensive Unternehmen, die sich auf den Weg in die Klimaneutralität gemacht haben. Nicht dauerhaft, aber bis ausreichend Erneuerbare in einem intelligenten Strommarktdesign für wettbewerbsfähige Strompreise sorgen.